Streitereien im ersten „Luxor-Prozess“ | DiePresse.com



Im Kampf gegen islamistischen Terrorismus fand 2020 eine Großrazzia statt. Noch immer wartet man auf Anklagen. Doch nun beschäftigte ein Zufallsfund ein Wiener Gericht.

Als Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) noch Innenminister war, verkündete er anlässlich einer Aufsehen erregenden Großrazzia (Operation Luxor), man habe „die Wurzeln des politischen Islam gekürzt“. Was folgte, war Ernüchterung. Die fallführende Staatsanwaltschaft Graz brachte keine Anklagen zustande. Verfahrenseinstellungen für den Großteil der mehr als hundert Beschuldigten folgten. Nun sorgte ein Zufallsfund doch noch für einen Prozess.

Dieser hat allerdings mit den Terrorvorwürfen (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Terrorismusfinanzierung) nichts zu tun. Es geht um Chats. Schüler einer Wiener Handelsakademie hatten während der coronabedingten Schulschließungen per WhatsApp mit ihrem Lehrer für islamische Religion kommuniziert. Zwischen 25. April 2020 und dem 9. November 2020 (an diesem Tag war die Razzia und das Mobiltelefon des Lehrers wurde sichergestellt) landeten vier Bilder von Adolf Hitler in zwei WhatsApp-Chatgruppen. Unter einem Bild stand „verführerisch“, unter einem anderen „Kuck Kuck“, auf einer weiteren Abbildung, einer Fotomontage, war zu sehen, wie Hitler mit den Händen ein Herz formt.

Der Grazer Staatsanwalt, der das Terrorismus-Verfahren seit vier Jahren führt und nun zu der in Wien laufenden Verhandlung angereist war, erhob schwere Vorwürfe. Im Zentrum stand der vom Dienst freigestellte Islam-Lehrer E. (58). E. habe die von den Schülern versandten Bildchen in den Chat-Gruppen belassen und somit nationalsozialistische Wiederbetätigung begangen. Er habe die „Zielsetzungen“ seiner Schüler, nämlich „die Verherrlichung des nationalsozialistischen Führerkults“ oder etwa „das Bewerben des Antijudaismus“, geteilt.

Anklage als Rechtfertigung für Terrorismus-Verfahren?

Islam-Lehrer E. war im Rahmen der „Luxor-Ermittlung“ verfolgt worden. Sein Verfahren wurde aber rechtskräftig eingestellt. Insofern wetterte dessen Verteidiger Andreas Schweitzer: „Der Staatsanwalt wollte diesen neuen Vorwurf vor Gericht bringen, damit er das ‚Luxor-Verfahren‘ rechtfertigen kann.“ Und: Erst zwei Wochen bevor das Terrorverfahren eingestellt wurde, seien „die angeblichen Verfehlungen“ in Zusammenhang mit dem Verbotsgesetz aufgegriffen worden.

Der Lehrer selbst erklärte, er habe die Bilder „nicht wahrgenommen“. Er sei damals in Dutzenden WhatsApp-Gruppen gewesen und habe nicht jeden Chatverlauf genau verfolgen können. Hätte er die Bilder gesehen, hätte er „Maßnahmen durchgeführt“. Er habe mit dem Nationalsozialismus nichts zu tun. Weiters betonte der aus Ägypten stammende Mann, der längst die österreichische Staatsbürgerschaft hat: „Ich lebe jetzt 35 Jahre in Österreich. Und ich war offiziell Beauftragter des Bundesministeriums – für interreligiösen Dialog.“ Als der Staatsanwalt den Pädagogen fragte, ob er Mitglied der Muslimbruderschaft sei, verweigerte dieser die Antwort. Verteidiger Schweitzer reagierte verärgert. Dies habe mit der Anklage nichts zu tun. Der Hintergrund: Der Vorwurf, E. sei Muslimbruder, wurde dem Lehrer in dem gegen ihn bereits eingestellten Terrorismus-Verfahren gemacht. Und war von Anfang an wackelig, da die Muslimbruderschaft nicht als Terrororganisation gilt.

Schüler: „War nur Spaß“

Neben dem Lehrer saßen nun auch vier ehemalige Schüler wegen NS-Wiederbetätigung auf der Anklagebank: Sie waren zur Tatzeit noch Jugendliche bzw. junge Erwachsene, weshalb nun ein Jugendsenat des Straflandesgerichts Wien für die Strafsache zuständig war. Die mittlerweile 21-jährige, aus Pakistan stammende R. erklärte, sie wisse zwar, wer Hitler war, habe sich aber für den Geschichtsunterricht nie interessiert. Die beiden Hitler-Bilder, die sie in die Gruppe gestellt habe, seien eher Satirebilder gewesen. R.: „Hitler sah darauf lächerlich aus“. Ansonsten habe sie „nicht nachgedacht“. Mittlerweile studiert R. Wirtschaftswissenschaften.

Ähnlich verantworteten sich eine tschetschenisch-stämmige Ex-Schülerin (C.: „Ich war jung und habe mir nichts dabei gedacht“) und ihr Landsmann S.: „Wäre ich jetzt nicht vor Gericht, könnte ich mich an so eine WhatsApp-Gruppe gar nicht erinnern.“ Der vierte Ex-Schüler, A. S., gab an: „Ich habe das nur aus Spaß gepostet.“

Das Urteil der Geschworenen stand zuletzt aus.

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