Agi Mishol, geboren 1946 in eine ungarische Familie in Transsilvanien, lebt in Israel. Ihre Gedichte stammen aus dem Band „Gedicht für den unvollkommenen Menschen“ (Edition Lyrik Kabinett bei Hanser, Carl Hanser Verlag). Anne Birkenhauer hat sie aus dem Hebräischen übersetzt.
Gedicht zum Hochzeitstag
Auf der rostenden Bank
unterm Feigenbaum
müssen wir nicht mehr sagen
hier sind das Haus der Hof
die Bäume
und die umgekippten Laufräder
der Enkel.
Hinter dem Kamm des ersten Regens
verschränken wir nur die Finger:
meine schwarz von Granatäpfeln
deine von Pekannüssen gelb.
Schutzraum
Jetzt wo rundherum Tod kriecht
und Pekannüsse sich in ihre Schalen drücken
verstecke ich mich im Hebräischen.
Nichts wird mir geschehen beim arglosen Schreiben
nichts wird mir geschehen
wenn ich mich von den Buchstaben aufnehmen lasse
wenn ich nicht über die Linie schreibe –
geschrumpft in einen kleinen Punkt
eingezwängt in ein o oder
den Bauch eines g
in einen tränenden Strichpunkt
eingegeiselt.
Geliebte heilige Sprache –
jetzt wo alles seine Zeit hat
alles Entsetzen ist
wo der Hain uns seine Früchte reicht
und die Erde gepflügt ist
tue ich nur was Rilke sagt:
lasse mir alles geschehen
Schönheit und Schrecken
ohne zu denken
dass sie endgültig sind
Geliebte heilige Sprache –
tue ich nur was Rilke sagt:
Boot auf dem Wasser
Vielleicht ist es nicht so bequem
aber in mir kannst du immer
wie in einer Arche von Ararat
zu Ararat
dahintreiben
mit fünf Duschen an Deck
einem Bett zum Hinlegen
Jalousien gegen die Sonne
sogar mit einer Kabine zum Kickboxen
und einem Taubenschlag
denn ich bin eine gute Arche
aus stabilen Balken
sintflutfest
begabt auf dem Wasser zu treiben
steige auf und ab in den Wellen des Meeres
und all meine Matrosen sind auf Ritalin. Alle.
Nachtlicht
Der Leib braucht Zeit bis er kapiert
was der Kopf beschloss
und er streichelt sich selbst
zum Trost die Umrisse
hier das ist die Schulte
das ist das Gesicht
das ist die Innenseite der Schenkel
und das ist das bodenlose Seufzen
ohne einen einzigen Konsonanten
zum Anlehnen
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