In einem unspektakulären und vergleichsweise respektvollen Duell kamen trotz teils harter Neos-Kritik allerhand Gemeinsamkeiten zwischen Türkis und Pink heraus. Zumindest in der Theorie.
Es mag paradox anmuten, dass ein Satz, den ÖVP-Wähler mit Sicherheit gerne hören, just aus dem Mund einer Oppositionspolitikerin kommt: „Die ÖVP wird nach der Wahl wieder in der Regierung sein, so viel können wir sagen.“
Das stellte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger gleich am Beginn des TV-Duells mit Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) klar. Nachsatz: „Die Frage ist nur, wie die Regierung dann ausschaut.“ Die Türkisen hingen so sehr an der Macht, behauptete die pinke Frontfrau, dass sie nötigenfalls auch mit der FPÖ Herbert Kickls regieren würden.
Und doch ist es zumindest taktisch nachvollziehbar, warum Meinl-Reisinger das sagte, und zwar gleich aus mehreren Gründen. Der erste: Die Pinken versuchen im Wahlkampffinale offenkundig ÖVP-Wähler anzusprechen, die keine Regierung mit den Blauen wollen. „Werden Sie mit der FPÖ koalieren?“, fragte also zuvorderst nicht ORF-Moderatorin Susanne Schnabl, sondern Meinl-Reisinger den Kanzler. Der sagte, was er in dieser Situation immer sagt: „Es kommt darauf an, wer eine Partei anführt. Mit Herbert Kickl nicht.“ Und zwar auch dann nicht, wenn Kickl fernab eines Regierungsamtes Parteichef der FPÖ bliebe. „Wenn er Parteichef ist, geht’s nicht“, so Nehammer. „Das hätte keinen Sinn und bringt keine Gewissheit für eine tragfähige Regierung.“ Als Jörg Haider einst von außen in die schwarz-blaue Koalition unter Wolfgang Schüssel hineinregiert habe, hätte das schließlich auch nicht funktioniert, die FPÖ habe sich ja auch damals „gesprengt“, so Nehammer.
Und dann wäre da noch der offene Regierungswunsch der Neos. Der kann – wie Meinl-Reisinger ja selbst sagte – aus ihrer Sicht nur mit der ÖVP als Partner in Erfüllung gehen, in der wahrscheinlichsten Variante in einer Koalition aus Türkis, Rot und Pink. Auch in der ÖVP wünschen sich viele eine Koalition mit den Neos – jedenfalls viel eher als mit den Grünen. Und so folgte das Logische: Man sah eine knappe Stunde lang zwei Parteichefs, die den jeweils anderen trotz Streits nicht vergraulen wollten. Im Tonfall ein starker Kontrast zu vorangegangenen Duellen, etwa jenem von Kickl und Grünen-Chef Werner Kogler kurz davor.
„Kein antipatriotischer Akt“
Nehammer bewarb einmal mehr die eigene Regierungsarbeit. Er sprach von der Abschaffung der Kalten Progression, die ja auch immer eine Neos-Forderung gewesen sei; er erklärte einmal mehr, wie schwer die Rahmenbedingungen angesichts großer Krisen gewesen seien. Mag alles sein, konterte Meinl-Reisinger, „aber ich halte nicht viel von dem, was Ihre Regierung wirtschaftspolitisch getan hat.“ Auf den Vorwurf Nehammers, dass die Opposition Österreich schlechtrede und sie ja „keine Verantwortung tragen“ müsse, entgegnete sie: „Das zu sagen, ist kein antipatriotischer Akt.“ Auf beiden Seiten wurden die bekannten Schwerpunkte gesetzt. Nehammer etwa kritisierte, dass das rot-pink regierte Wien aufgrund der vergleichsweise hohen Sozialleistungen ein „Magnet“ für Flüchtlinge sei. Wie sooft sprach er in der Debatte um die Budgetsanierung davon, dass er durch „Wirtschaftswachstum“ den Kuchen – gemeint ist die Wirtschaftsleistung – vergrößern wolle. Meinl-Reisinger forderte stattdessen Föderalismus- und Pensionsreformen sowie Einsparungen im Förderwesen.
„Ja, dann ändern wir das!“
Viel Neues hörte man also nicht in den 50 Minuten, doch es traten allerhand Gemeinsamkeiten zutage – vom sukzessive abschmelzenden Arbeitslosengeld über eine einheitliche Sozialhilfe und die Notwendigkeit von Steuersenkungen anstatt neuer Steuern bis hin zur Bekämpfung der unkontrollierten Asylmigration. „So kann es nicht weitergehen mit der irregulären Migration, die Leute wollen das nicht mehr“, sagte auch Meinl-Reisinger etwa, sie forderte „geschlossene EU-Außengrenzen“ und dort stattfindende Asylverfahren. Durch die gesamte Debatte zog sich, dass Meinl-Reisinger weniger die ÖVP-Programmatik per se kritisierte, sondern eher den Umstand, dass die Kanzlerpartei ihre Versprechen nicht umsetze. „Seit 37 Jahren plakatieren Sie, dass sich Leistung lohnen muss. Aber Arbeit lohnt sich nicht, und voll arbeiten lohnt sich voll nicht.“ Man brauche „harte Reformen, zu denen Ihrer Regierung der Mut gefehlt hat“, sagte sie zu Nehammer – der übrigens sagte, dass er Meinl-Reisinger „als überzeugte Demokratin schätzt“. Und: Auf Meinl-Reisingers Kritik am Sozialhilfe-„Fleckerlteppich“ antwortete er: „Ja, dann ändern wir das!“ Vielleicht ja in einer gemeinsamen Regierung.
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