Nach Bitcoin-ETFs kommen jetzt auch Ethereum-ETFs an die US-Börsen. War das nicht nur eine Frage der Zeit?
Nein, tatsächlich sah es vor einer Woche noch danach aus, als würde die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC den Ethereum-Spot-ETFs eine Absage erteilen. Das Blatt wendete sich jedoch Montagabend, als plötzlich Anzeichen aufkamen, dass die SEC im Hintergrund eine 180-Grad-Wende vollzogen hat. Spekulationen zufolge geschah dies aufgrund von politischem Druck auf die SEC, da Kryptowährungen im Angesicht der anstehenden US-Präsidentschaftswahl zunehmend in den Mittelpunkt rücken und die Biden-Administration mittlerweile wohl nicht mehr als feindlich gegenüber dem Sektor wahrgenommen werden möchte.
Bloomberg-ETF-Experten hoben am besagten Montagabend plötzlich die Wahrscheinlichkeit für eine Zulassung von 25 auf 75 Prozent an und der gesamte Krypto-Markt reagierte deutlich positiv. Am 28. Mai war es dann schließlich so weit und an dem Tag der Deadline erteilte die SEC die Zulassung. Eine positive Kursreaktion auf diese Meldung blieb jedoch aus, da der Markt es wohl in den Tagen zuvor schon eingepreist hatte. Wann die ETFs ihren ersten Handelstag feiern dürfen, ist derzeit noch unklar.
Roman Reher ist ein deutscher Gründer, Unternehmer und Bitcoin-Experte. Sein YouTube-Kanal “Blocktrainer” ist einer der weltweit größten Kanäle mit Bitcoin-Focus. Reher schafft es dabei, komplexe technische und ökonomische Sachverhalte in leicht verständliche Worte zu fassen. Reher und sein Team stellen aktuelle und hochwertige Inhalte zum Thema Bitcoin und Finanzmärkte für das deutschsprachige Publikum bereit.
Warum hätte die SEC denn Bitcoin- aber nicht Ethereum-Spot-ETFs zulassen können? Inwiefern unterscheiden sich die größten Kryptowährungen, dass dies nachvollziehbar gewesen wäre?
In den USA gibt es schon seit längerer Zeit ein Hin und Her bezüglich der Klassifizierung von Kryptowährungen. Konkret geht es dabei um die Frage, welche digitalen Assets einen „Rohstoff“ beziehungsweise eine Ware und welche ein Wertpapier darstellen. Bei Bitcoin herrscht aufgrund der eindeutigen Dezentralität schon lange Klarheit, dass die etablierteste Kryptowährung ein „Rohstoff“ ist.
Bei Ethereum hingegen war dies insbesondere seit dem Wechsel auf den Konsensmechanismus Proof-of-Stake äußerst umstritten. SEC-Chef Gary Gensler ließ seither mehrfach durchklingen, dass er Ethereum deshalb eher als Wertpapier einordnet. Doch da der Ethereum ETF von der SEC jetzt als ein auf einem „Rohstoff basierender Trust“ zugelassen wurde – mutmaßlich wegen dem Druck aus der Politik – hat die Aufsichtsbehörde wohl Ethereum jetzt offiziell als „Rohstoff“ klassifiziert.
Was bedeutet Proof-of-Stake und was ist dabei der Unterschied zu Bitcoin, der eine andere Klassifizierung Ihrer Meinung nach gerechtfertigt hätte?
Bei Proof-of-Stake erschaffen diejenigen Entitäten neue Blöcke und erhalten dafür die Belohnung in Form neuer Coins, die ihre Coins dafür einsetzen beziehungsweise staken. Entsprechend haben Entitäten mehr Macht über das Ethereum-Netzwerk, wenn sie viele ETH besitzen. Und diese Macht kann sich dadurch immer konzentrieren, dass die, die schon viel haben, eben mehr von den neu geschaffenen Einheiten bekommen.
Bei Ethereum kommen zudem noch einige Problematiken dazu, wie dass es eine Ethereum Foundation gibt, welche die Entwicklung des Netzwerks maßgeblich steuert und dass das Entwicklerteam selbst den Großteil der Coins erschaffen hat, bevor es das Projekt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat – alles das widerspricht dem Konzept von einem „Rohstoff“.
Bitcoin hingegen basiert auf dem Proof-of-Work-Konsensmechanismus, bei dem immer wieder aufs Neue ein Arbeitsnachweis in der Realwelt erbracht werden muss, um neue Blöcke zu schürfen. Und da dieser Nachweis auf Rechenleistung beruht, wofür Energie nötig ist und sich Energie nun mal niemals bei einer Entität zentralisieren kann, gewährleistet dieser Mechanismus maximale Dezentralität. Zudem war das Bitcoin-Netzwerk seit Tag eins für jedermann zugänglich und es gibt keine zentralen Entitäten, welche die Richtung vorgeben – alle Versuche dieser Art sind in der Vergangenheit gescheitert.
Welche Bedeutung spielt diese aus Ihrer Sicht kontroverse Einordnung für den gesamten Krypto-Markt?
Die ETF-Zulassung hat Ethereum Legitimität verliehen und sie suggeriert eine Dezentralität, die wohl bei bestem Willen nicht vorhanden ist. Konsequenterweise müsste die SEC jetzt auch ETF-Anträge von einer Vielzahl weiterer Krypto-Währungen durchwinken – zumindest, wenn von der Rohstoffdebatte unabhängige Faktoren wie ein ausgereifter Futures-Markt für das Asset gegeben sind. Anleger sollten entsprechend nicht in den Glauben verfallen, dass alles, was die SEC über eine ETF-Zulassung als „Rohstoff“ klassifiziert, wirklich mit so etwas gleichzusetzen geschweige denn wirklich dezentral ist.
Für den Markt bedeutet dies aufgrund der wohl weniger streng gewordenen Regulierung, dass die USA wohl erstmal Kryptowährungen per se nichts in den Weg stellen wollen, was ihre Adoption verhindert. Andere politische Entwicklungen in den USA sprechen ebenfalls dafür. Aufgrund dessen reagierte der gesamte Krypto-Markt auf die initiale Meldung, dass die Ethereum-ETFs wohl doch zugelassen werden.
Könnten die Ethereum-ETFs den Erfolg des Handelsstarts der Bitcoin-ETFs replizieren?
Wie hoch die Nachfrage nach den neuen Anlageprodukten sein wird, ist schwer zu sagen. An der Hongkonger Börse, wo neben Bitcoin- auch Ethereum-Spot-ETFs vor wenigen Wochen ihren Handelsstart feierten, machten die initialen Zuflüsse in die ETH-ETFs zwischen 15 bis 20 Prozent der Zuflüsse in die dortigen BTC-ETFs aus. Entsprechend dürfte auch in den USA der Handelsstart weit weniger spektakulär ausfallen.
Ein Problem bei der Anlage in Ethereum-ETFs ist zudem, dass die Produkte nicht die ETH staken dürfen, wodurch den Investoren eine potenzielle Rendite von derzeit um die 3 Prozent auf ihre ETH abhanden geht.
Das Dilemma dabei ist jedoch, dass wenn dies eines Tages doch erlaubt werden soll und ein großer Teil der Coins bei den Vermögensverwaltern liegen, diese dann aufgrund des Konsensmechanismus Kontrolle über das Netzwerk hätten. Und ein weiteres Problem wäre dann, dass die gestakten Coins aufgrund der Mindestbindungsfrist nicht schnell von den Vermögensverwaltern veräußert werden könnten, wenn die Anleger ihr Geld aus dem ETF abziehen wollen. Dies könnte zu Turbulenzen führen und unter Umständen auch zu einem sich vom zugrundeliegenden Asset abkoppelnden Preis.
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